Herausforderungen gibt es in jeder Partnerschaft. Manche sind sichtbar, andere versteckt – doch alle können Wachstum und Veränderung erschweren. Es gibt viele Gründe und Zusammenhänge, warum sich Beziehungsprobleme nicht verändern. Oft wird viel gesprochen, doch an der Umsetzung hapert es. Warum bleiben Paare trotz bester Absichten in alten Mustern gefangen? Und was könnt ihr tun, um aus diesem Stillstand auszubrechen?
Alte Muster – warum wir sie so schwer verändern
Die Macht der Gewohnheit
Es ist menschlich, in alte Verhaltensweisen zurückzufallen. Gewohnheiten geben Sicherheit und sparen Energie. Sie prägen nicht nur unser Verhalten, sondern auch unsere Sicht auf den Partner oder die Partnerin. Ein typisches Beispiel: Ihr nehmt euch vor, euch mehr Wertschätzung zu zeigen. Anfangs klappt es, doch bald holt euch der Alltag ein: Stress, Routinen – und schon seid ihr wieder in den alten Mustern von Kritik und Distanz.
Warum Veränderung bedrohlich erscheint
Veränderung fühlt sich oft ungewohnt und unsicher an. Laut dem Psychologischen Psychotherapeuten und Gründer des Instituts für Systemische Studien in Hamburg, Ulrich Wilken (Wilken, Ulrich, 2000. Die Bedeutung von Nichtveränderung aus systemischer Sicht. In ISS’ES, Hg. Institut für systemische Studien, Jg. 2000, Heft 14, S. 7-18, vgl. S. 10ff), suchen Menschen unbewusst nach Stabilität – auch wenn sie das unglücklich bleiben lässt. Diese Dynamik der Nicht-Veränderung kann verschiedene Ursachen haben.
Warum sich Beziehungsprobleme nicht verändern – 7 Hinderungsgründe nach Wilken
Eine erste, einfache Erklärung ist, dass sich Veränderung immer ungewohnt anfühlt. Deshalb fallen wir so oft in unser altes, meist automatisch ablaufendes Verhalten zurück. Das erklärt jedoch häufig nicht hinreichend, warum wir trotz wiederholter schmerzhafter Erfahrungen damit, dass sich die Partnerschaft nicht verändert, bei unseren bekannten Reaktions- und Verhaltensweisen bleiben. Es ist daher von zentraler Bedeutung, dass wir unsere Beziehungsmuster erkennen.
1. Loyalität gegenüber der Herkunftsfamilie
Viele Menschen halten an Werten und Glaubenssätzen ihrer Ursprungsfamilie fest. Veränderung kann wie ein Verrat an den eigenen Wurzeln wirken.
Beispiel: Ein Partner, der Perfektionismus von seiner Familie übernommen hat, kämpft mit der Entspannung in der Beziehung. Dieser Perfektionismus erzeugt Konflikte, wenn die Partnerin eine lockerere Haltung einnimmt. Statt Balance entstehen ständig Spannungen.
Ein kleiner Exkurs:
Die Loyalität geht bei einzelnen Menschen manchmal sogar so weit, dass sie lieber glauben, sie selbst seien nicht in Ordnung oder nicht liebenswert, als zu sehen, dass die Eltern ihnen nicht genug Liebe, Anerkennung und Zuwendung geschenkt haben. Warum? Weil dieser Gedanke noch traurigere Gefühle auslösen würde, als der Gedanke, selbst nicht richtig zu sein, wie man ist. Ein solcher Glaubenssatz kann die die Dynamik der Beziehung belasten. Auswirkungen können dann eine übermäßige Anpassung an den Partner sein: z.B. auf Hobbies verzichten oder eigene Freundschaften nicht zu pflegen, um den anderen nicht zu enttäuschen. Darüber hinaus kann daraus eine Angst vor Konflikten erwachsen, die Suche nach Bestätigung und Anerkennung durch den Partner, Selbstsabotage im Sinne von „Ich habe keine Liebe und kein Glück verdient“ und auch emotionaler Rückzug (z.B. Gefühle oder Schwächen zeigen) aus Angst, in seiner wahren Persönlichkeit abgelehnt zu werden.
2. Bevorzugen von Sicherheit – auch wenn das leidvoll ist
Das Vertraute gibt Halt, selbst wenn es unglücklich macht. Angst vor dem Unbekannten führt dazu, dass Paare in ungesunden Beziehungen verharren.
Beispiel: Ein Partner bleibt trotz unglücklicher Beziehung, weil das Risiko eines Scheiterns in einer neuen Partnerschaft zu groß erscheint.
3. Misstrauen gegenüber der Zukunft
Frühere Enttäuschungen lassen Menschen an Bestehendem festhalten, selbst wenn es nicht erfüllend ist.
Beispiel: Ein Partner möchte umziehen oder Kinder bekommen, der andere blockiert aus Angst vor Risiken. Statt Chancen zu sehen, bleibt die Beziehung in einem Stillstand.
4. Sorge, Schuld und Krankheit als Bindeglieder
Manche Beziehungen beruhen auf alten familiären Mustern, in denen Probleme oder Opferrollen zentrale Bindungselemente waren. Diese Dynamik wird unbewusst übernommen.
Beispiel: Ein Partner opfert seine eigenen Bedürfnisse ständig, um Harmonie zu bewahren, und fürchtet, als egoistisch wahrgenommen zu werden. Diese und andere Blockanden verhindern, dass sich Eheprobleme lösen, obwohl ihr hart an eurem persönlichen und gemeinsamen Wachstum in der Beziehung arbeitet.
5. Emotionale Abhängigkeit
Schwierigkeiten, sich vom Elternhaus emotional zu lösen, können in der Partnerschaft zu Abhängigkeiten führen.
Beispiel: Ein Partner holt ständig die Meinung der Eltern ein, anstatt Entscheidungen eigenständig mit der Partnerin zu treffen. Das hemmt die Entwicklung der Partnerschaft.
6. Projektionen und Schuldzuweisungen
Statt Verantwortung für das eigene Wohl zu übernehmen, wird der Partner für das eigene Unglück verantwortlich gemacht.
Beispiel: Ein Partner sagt: „Wenn du dich mehr anstrengen würdest, wäre ich glücklich.“ Beide bleiben in diesem Muster stecken, ohne Eigenverantwortung zu übernehmen.
7. Die Illusion, den Partner (doch noch) zu ändern
Ein besonders hartnäckiges Muster in Partnerschaften ist die Überzeugung, die Partnerin oder den Partner verändern oder retten zu können. Diese Illusion führt häufig dazu, dass Menschen in unglücklichen oder sogar schmerzhaften Beziehungen verharren, in der Hoffnung, dass sich der andere eines Tages ändern wird. Doch anstatt die Beziehung aktiv zu gestalten, blockiert diese Haltung notwendige Veränderungen – sowohl individuell als auch gemeinsam.
Warum sich Beziehungsprobleme nicht verändern und alles beim Alten bleibt – selbst bei Veränderungsbemühungen
1. Alltagsfalle: Warum Veränderungen oft scheitern
- Bewusstheit als Schlüssel: Veränderung beginnt mit der Erkenntnis alter Muster. Ohne Klarheit über diese Muster bleibt alles beim Alten.
- Stress als Rückfalltreiber: Im Alltag greifen wir unter Druck auf gewohnte Verhaltensweisen zurück, auch wenn diese nicht förderlich sind.
- Unrealistische Erwartungen: Veränderungen brauchen Zeit. Frustration über langsame Fortschritte führt oft zu vorzeitigem Aufgeben.
- Fehlende Unterstützung: Wenn nur ein Partner Veränderungen vorantreibt, während der andere passiv bleibt, entsteht eine zermürbende Disbalance.
2. Psychodynamische Hindernisse: Glaubenssätze und Bindungsmuster
- Die Macht negativer Überzeugungen: Glaubenssätze wie „Ich bin nicht richtig, so wie ich bin“ prägen unsere Beziehungen und wirken wie selbsterfüllende Prophezeiungen. Mit diesem Thema befasse ich mich in folgendem Beitrag näher: Diese negativen Gedanken verschlechtern deine Beziehung.
- Verborgene Bindungen an die Vergangenheit: Wir halten unbewusst an alten Mustern fest, um Bindungen an unsere Eltern und die Hoffnung auf ihre bedingungslose Liebe aufrechtzuerhalten.
- Die Angst vor Veränderung: Eine neue Dynamik könnte alte Glaubenssätze ins Wanken bringen, was unbewusst als Bedrohung empfunden wird.
Wege aus der Nicht-Veränderung: Wie ihr den Stillstand überwindet
1. Perspektivwechsel wagen
Anstatt Konflikte oder Gespräche in Dauerschleifen zu wiederholen, entwickelt neue Sichtweisen und Handlungsmöglichkeiten. Schematherapie kann dabei helfen, nicht erfüllte Bedürfnisse zu erkennen und den „gesunden Erwachsenen“ in sich zu stärken.
2. Konkrete Ansätze für Veränderung
- Pause zwischen Reiz und Reaktion: Wie Viktor Frankl rät, hilft eine kurze Pause in Streitmomenten, um besonnen zu reagieren und die Perspektive des Partners zu verstehen.
- Selbstreflexion: Hinterfragt eure Überzeugungen. Welche Gedanken oder Muster stammen aus eurer Kindheit? Welche sind hilfreich, welche blockieren euch? Eine Anleitung zur Selbstreflexion der persönlichen Muster bietet die Beziehungs-App Myndpaar, deren Mitbegründer Ulrich Wilken ist. Und Selbstreflexion in der Beziehungist auch über Kartensets und Bücher möglich.
- Bewältigungsstrategien entwickeln: Stärkt den „gesunden Erwachsenen“ in euch (statt ausschließlich auf das verletzte innerer Kind zu schauen), um alte Muster zu durchbrechen und neue Verhaltensweisen zu etablieren.
- Gründe für den Status quo erkennen: Hinterfragt, was euch an alten Mustern festhält. Welche Ängste oder Unsicherheiten verhindern Veränderungen?
3. Verantwortung übernehmen
- Für den eigenen Anteil: Reflektiert, wie euer Verhalten zur Beziehung beiträgt, statt ausschließlich die Schuld beim Partner zu suchen.
- Neuroplastizität nutzen: Indem ihr eure Gedanken verändert, beeinflusst ihr auch euer Gehirn – und damit eure Gefühle und Handlungen. Ein Ansatz ist, zu lernen, erworbene Glaubenssätze loszulassen.
4. Mut für kleine Schritte
- Schrittweise Veränderungen: Fangt damit an, gemeinsam kleine, realistische Ziele in euren Alltag zu integrieren, damit sich eure Beziehungsprobleme lösen– Schritt für Schritt.
- Klares „Warum“ finden: Veränderung braucht Motivation – überlegt, wofür es sich lohnt, alte Muster loszulassen.
5. Professionelle Unterstützung
- Paartherapie oder Beratung: Ein externer Blick kann dabei helfen, Muster zu erkennen und gemeinsam neue Wege zu finden.
- Psychotherapeutische Wirkfaktoren nutzen: Sich kompetent fühlen, neue Strategien lernen, Selbstwirksamkeit erleben und ein besseres Selbstverständnis entwickeln – all das unterstützt Veränderung.
6. Geduld und Erfolge feiern
- Langfristige Perspektive: Veränderungen brauchen Zeit und Wiederholung. Verbindet neue Gewohnheiten mit bestehenden Ritualen.
- Erfolge würdigen: Feiert eure Fortschritte – auch kleine Schritte sind wertvoll.
Fazit: Veränderung beginnt mit euch
Veränderung ist unbequem und mit Unsicherheiten verbunden. Alte Muster und die Dynamik der Nicht-Veränderung wirken oft blockierend, doch sie können überwunden werden. Der Schlüssel liegt in der Bereitschaft zur Reflexion, Offenheit und Mut für Neues.
Denk daran: Jede noch so kleine Veränderung in Richtung mehr Wahlfreiheit, Nähe und Verständnis ist ein Schritt nach vorn. Atme tief durch, wenn der Alltag euch fordert, und erinnert euch an eure gemeinsamen Ziele. Der Weg zur Veränderung ist kein Sprint, sondern ein Tanz, den ihr gemeinsam immer wieder neu gestalten könnt.
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Sandra Konrads Buch beleuchtet die emotionale Ablösung von den Eltern und zeigt, warum viele Erwachsene in kindlichen Mustern verharren. Es behandelt die Überwindung von Schuldgefühlen, das Erkennen eigener Bedürfnisse, Strategien zur Verbesserung der Eltern-Kind-Beziehung und den Prozess einer reifen, selbstbestimmten Bindung. Ablösung bedeutet dabei nicht Kontaktabbruch, sondern ein eigenständigeres, erfüllteres Leben jenseits familiärer Verstrickungen.