Ein Kind soll die Liebe krönen – dadurch werden aus Partnern Eltern. Das bedeutet, viele ganz neue Erfahrungen zu machen. Immer ist damit auch Stresserleben für die Mama und den Papa verbunden und die Nerven liegen manchmal blank. Das wirkt sich auf die Partnerschaft aus: Elternschaft stellt eine Belastung für die Beziehung dar. Aber ist ein Kind deshalb ein Beziehungskiller?
Beziehungskiller Kind? Wo liegt das Problem?
Ein Baby ist da und die Partner müssen sich neu finden
Plötzlich ist es da – und neben dem riesigen Glück wird recht schnell deutlich: jetzt ist alles ganz anders als vorher und meist auch anders als erwartet. Die Spontanität ist eingeschränkt, die Zeit mit dem Partner auch, ebenso das ungestörte Beisammensein mit Familie und Freunden – ganz zu schweigen von der Zeit, die du als Elternteil für dich selbst noch übrig hast … Hinzu kommen Schlafmangel und ein mehr oder weniger häufig schreiendes Kind. Beides löst Stresserleben aus.
Beachtung und Aufmerksamkeit
Oft gibt es weniger Zärtlichkeiten, weil das kleine Wesen dieses Bedürfnis bereits erfüllt und auch fordert. Das Baby zieht viel Aufmerksamkeit auf sich und bindet Liebe. Wenn es jetzt (empfunden) ein neues Traumpaar gibt, und das Kind vom jeweils anderen Partner als Papas Liebling oder Mamas Ein und Alles wahrgenommen wird, dann fühlt sich der Partner schnell vernachlässigt oder gar zurückgesetzt: ich bin nicht wichtig. Überwiegend sind es die Männer, die das Gefühl haben, zweitrangig zu sein, weil naturgegeben (durch Schwangerschaft, Geburt und Stillen) die Frauen zunächst den engeren Kontakt zum Kind haben.
Gut ist, wenn es gelingt, diese Lage anzunehmen, wie sie gerade ist: Ich bin momentan nicht Teil dieser Zweisamkeit (wenn das Baby vorrangig die Mutter braucht). Von Seiten der Mutter ist es wichtig, das Kind auch an den Vater abgeben zu können und zu akzeptieren, dass er Dinge anders macht als sie. Auch er braucht Gelegenheiten, den neuen Menschen kennen zu lernen. Beides entlastet nicht nur die Beziehung, sondern auch die Partner selbst.
Für mehr Aufmerksamkeit stellt euch gegenseitig täglich diese zwei Fragen, um einander als Paar wieder mehr und neu im Blick zu haben:
- Wie geht es dir?
- Was kann ich für dich tun?
Wenn es euch gelingt, dem*der Partner*in besser zuhören zu können, habt ihr viel dafür getan, dass das Thema “Beziehungskiller Kind” nicht eures wird.
Neuorganisation des Alltags
Der Alltag und der Haushalt müssen neu organisiert werden. Seid ihr jetzt als Paar ein gutes Team sein, ist schon viel gewonnen. Gelingt es euch, die Verantwortung für den Nachwuchs und den Haushalt gemeinsam und so weit es geht gleichberechtigt zu übernehmen, dann werdet ihr euch auch gegenseitig wieder mehr als Partner mit einem eigenen Selbst erleben. Es macht euch beide füreinander attraktiver, wenn sich nicht alles um das Kind dreht. So könnt ihr eure Beziehung beleben, auch wenn die Zeit zu zweit jetzt knapper und kostbarer geworden ist.
Verzichtet auf Perfektion. Gelassenheit und Prioritäten setzen sind jetzt der Weg, damit das Kind nicht zum “Beziehungskiller” wird.
Dieser Fragenkanon kann dir dabei helfen, Aufgaben zu sortieren:
- MUSS ich das jetzt machen?
- Muss ICH das jetzt machen?
- Muss ich DAS jetzt machen?
- Muss ich das JETZT machen?
- Muss ich das jetzt MACHEN?
Erwerbsarbeit nur für einen oder für beide: jetzt verändern sich das Selbstbild und die Paardynamik
Auch die Arbeitssituation ändert sich mindestens bei einem Partner. Wenn einer von euch jetzt vorübergehend keine Erwerbsarbeit mehr hat, dann wirkt sich das auf sein Selbstbild aus. Das wirkt auf die Beziehung zurück.
Der Kontakt zu Kollegen verringert sich und die Gespräche mit anderen Menschen bekommen häufig eine neue Ausrichtung. Für den Partner, der mit dem Kind zu Hause bleibt, hat die Paarzeit dann auch die Funktion, etwas Anregung in die Beziehung zu bringen, um den Alltag zu bereichern. Und dem anderen Partner liegt dagegen eventuell mehr an Ruhe und Abschalten vom Arbeitstag. Das kann Konflikte hervorrufen.
Im Gespräch bleiben und Vorstellungen über Erziehung klären
Auch innerhalb eurer Partnerschaft habt ihr meist weniger Zeit, um miteinander zu reden – und die Gesprächsthemen verschieben sich. Eure (unterschiedlichen) Werte in der Beziehung bekommen mehr Gewicht, wenn es jetzt um die allerersten Erziehungsthemen geht.
Jetzt ist es erforderlich, sich wieder neu zu finden. Ihr solltet euch ganz bewusst Zeit nehmen für diese Fragen:
- Was ist uns beiden wichtig?
- Wo wollen wir jetzt gemeinsam hin?
- Wer wollen wir als Paar und Eltern zukünftig sein?
Gegenseitige Kritik und nicht hinter dem anderen zu stehen, führt in den Konflikt. Wichtig ist es, sich gegenseitigen zu bestätigen. Gemeinsam könnt ihr euch auch klar machen, dass die neue Situation mit Kind eine besondere Situation ist. Dazu gehört, über die eigenen Befindlichkeiten zu reden und sich gegenseitig zu sagen, was einen traurig macht und belastet – ohne zu klagen. Zwiegespräche sind hierfür eine gute Methode. Und Humor kann helfen, das Miteinander aufzulockern.
Wie Zärtlichkeit und Sex nicht auf der Strecke bleiben
Die Geburt eines Kindes bedeutet für die Partnerschaft: erstmal für einige Wochen eine Beziehung ohne Sex (wie gewohnt) zu haben. Und oft belastet auch über diese Zeit hinaus Lustlosigkeit die Beziehung. In meinem Beitrag Beziehung ohne Sex findest du mehr, wenn die Lustlosigkeit länger anhält. Aber für einige Zeit ist ein geringes Verlangen nach der Geburt eines Kindes ganz normal. Das hat mehrere Gründe:
- Aufgrund der Hormonausschüttung haben Frauen nach der Geburt meist ein geringeres sexuelles Interesse: mehr Östrogen führt zu weniger Lust und Prolaktin, das beim Stillen ausgeschüttet wird, führt zu einer engen Bindung zwischen Mutter und Kind. Außerdem irritieren die Frau nach der Geburt manchmal körperliche Veränderungen – und zwar meist auch dann, wenn es den Mann nicht stört. Sie fühlt sich nicht wohl, weil ihr Körper gerade nicht ihrem Bild von sich selbst entspricht.
- Bei Männern führt teilweise der Hautkontakt zum Baby zu weniger Testosteron – auch er hat dann zeitweise weniger sexuelles Interesse. Und manchmal wirkt bei den jungen Vätern auch das Geburtserlebnis noch nach.
- Der empfundene Stress als neue Eltern verringert ebenso die Wahrscheinlichkeit, dass spontan Lust auf Sex aufkommt. Kein oder sehr seltener Sex kann zu dem Gefühl führen, hinter dem Kind zurückstehen zu müssen und in der Partnerschaft die zweite Geige zu spielen. Beziehungen ohne Sex sind meist weniger stabil. Beziehungskiller Kind?
Hilfreich ist es, sich zu Zärtlichkeiten zu verabreden, sich in den Arm zu nehmen und den anderen einfach zu spüren – ohne Erwartungen (obwohl: viele Paare haben dann auch Sex). Wichtig ist dabei, gegenüber dem Partner nicht fordernd aufzutreten, insbesondere wenn es schon längere Zeit keinen Sex gab. Das macht nämlich Druck, weil der Partner, der weniger Lustempfinden hat, den anderen nicht enttäuschen möchte. Und Druck führt zu Rückzug. Schaut, was passiert und was sich für beide gut anfühlt.
Unterschiede zwischen Frauen und Männern
Ein Unterschied beider Geschlechter macht Beziehungsprobleme verständlicher: Frauen brauchen tendenziell eher erstmal Nähe, um Sex zu wollen und Männer gelangen tendenziell eher über Sex zu einem Gefühl von Nähe und Verbindung.
Sind Kinder also Beziehungskiller?
Je stabiler die Beziehung vor dem Kind war, desto weniger belastet die Elternschaft die Partnerschaft. Dennoch: Mit Kindern zu leben, stellt Herausforderungen für beide Partner und auch für die Beziehungsdynamik dar. Das kann zeitweise die Beziehung auf die Probe stellen.
Aber gibt es den Beziehungskiller Kind? Ja, gelegentlich. Doch das liegt dann nicht am Kind, sondern an der Situation in der Familie und dem Umgang damit. Probleme liegen niemals bei einer Person allein, sie kleben nicht am Einzelnen. Probleme sind etwas, das Partner und Kinder miteinander machen – nicht aus Boshaftigkeit, sondern weil sie so sind, wie sind.
Vielleicht passen manche Kinder gut in genau diese Familie, in die sie hineingeboren wurden – und manche Eltern passen gut zu den Kindern, die ihnen geschenkt wurden. Dann ist die Herausforderung geringer. Und bei anderen Familien ergibt sich eine größere Herausforderung, weil alle Familienmitglieder lernen müssen, gut auf sich aufzupassen und gut mit den anderen zu sein. Packt sie an, diese Aufgabe!
Noch bevor es kritisch wird, ist es gut, Ratgeberbücher zu lesen, eine Beziehungsberatung zu nutzen oder auch eine Familientherapie in Anspruch zu nehmen.
Gerade eine Online-Paartherapie, wie ich sie aus meiner Flensburger Praxis anbiete, kann es für junge Eltern erleichtern, ihre Beziehung zu retten und eine Ehekrise zu verhindern.
Gleichzeitig: Schaut bewusst auch auf das, was schön ist im Miteinander als Paar und im Zusammensein als Familie.
Und es gibt auch noch die andere Seite: Kinder können die Liebe füreinander intensivieren und die Partnerschaft vervollkommnen. Aber eines sind sie nicht: Kitt für eine Beziehung, die schon vor der Schwangerschaft nicht gut läuft.
Meine Buchempfehlung
Hans Jellouschek, Bettina Jellouschek-Otto: Familie werden, Paar bleiben*
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