Wir können einen anderen Menschen lieben. Und wir sehnen uns danach, geliebt zu werden. Aber: Was ist Liebe überhaupt? Die ganz einfache Antwort: Liebe ist Geben und Nehmen gleichzeitig. Eine Partnerschaft zu führen ist somit einerseits herausfordernd und andererseits erfüllend.
Das Thema Liebe ist grenzenlos. (Damit könnte ich mich im Umfang einer ganzen Bibliothek auslassen.) In diesem Beitrag habe ich meine Antwort auf die Frage “Was ist Liebe?” auf den Punkt gebracht. – Okay, genau genommen auf zwei Punkte …
Was ist Liebe? Gute Frage!
Der Schweizer Schriftsteller Max Frisch formuliert in seinen Tagebüchern zwei Fragen: „Lieben Sie jemanden? Und falls ja, woraus schließen Sie das?“
Auch die Menschen, die zu mir in die Paarberatung kommen, stellen sich häufig diese Frage. Mit etwas anderen Worten und zu unterschiedlichen Zeiten.
Zu Beginn einer Beziehung sind ihre Fragen: Ist es wirklich Liebe? Ist es mehr als nur eine flüchtige Leidenschaft?
Nach einer längeren Zeit in der Partnerschaft wollen sie wissen: Ist es noch Liebe oder nur Gewohnheit? Oder: Wann ist eine Beziehung gescheitert?
Bei der Beantwortung dieser Fragen können wir aus zwei Perspektiven gucken: Liebe ist ein Gefühl und ein Bedürfnis – gleichzeitig! Und wir sollten beide Sichtweisen berücksichtigen, wenn wir wissen wollen, was eine gute Beziehung ausmacht:
- Empfinde ich tiefe Gefühle für meinen Partner/ meine Partnerin? und
- Werden meine Bedürfnisse in der Partnerschaft befriedigt?
1. Was ist Liebe? Vordergründig ein selbstloses Gefühl
Zuneigung spüren und schenken
Liebe ist in starkes positives Empfinden, das in uns den Wunsch weckt, sich dem anderen zuzuwenden. In einer Liebesbeziehung ist uns wichtig, dass es dem anderen gut geht.
Liebe ist der Wunsch, etwas zu geben, nicht zu erhalten.
Bertolt Brecht
Wir wollen das Beste für den anderen: Zuspruch geben, trösten, für ihn dasein und vieles mehr. Aus der Perspektive des Gefühls heraus ist Lieben selbstlos und erwartet keine Resonanz.
Und, ganz wesentlich: Unser Partner/ unsere Partnerin kann dabei nur die Liebe in uns erwecken, die bereits in uns steckt. Der anderen löst dieses Gefühl nur in uns aus, er kann es aber nicht grundsätzlich für uns „herstellen“. Wir müssen uns also grundsätzlich selbst lieben können, um Liebe von einem anderen Menschen erfahren zu können.
Verbunden, aber nicht eins sein
Dabei verschließt die Liebe die Augen nicht davor, dass der Partner/ die Partnerin anders ist als wir selbst. Wir lassen uns also gleichzeitig gerne auf den anderen ein und erleben Unterschiede als bereichernd. Wenn Du liebst, siehst Du also Deinen Partner oder Deine Partnerin eher als jemand, der Dich vervollständigt. Es ist Dir nicht wichtig, immer derselben Meinung zu sein.
Wer liebt, kann zueinander “Ja” sagen, weil er die Unterschiedlichkeit des anderen nicht nur akzeptiert, sondern auch verstehen will.
Lassen können und Freiheit schenken
Liebe ist die Fähigkeit und Bereitschaft, den Menschen, an denen uns gelegen ist, die Freiheit zu lassen, zu sein, was sie sein wollen, gleichgültig, ob wir uns damit identifizieren können oder nicht.
George Bernard Shaw
Glückliche Paare gestehen einander ihre jeweilige Eigenständigkeit zu – und zwar ohne dass sie den Partner ändern wollen.
Die Schauspielerin Julia Roberts fasst ihre Antwort auf die Frage “Was ist Liebe?” auf der Ebene des Gefühls treffend zusammen:
Sie wissen, dass es Liebe ist, wenn Sie sich nur noch wünschen, dass diese Person glücklich ist.
2. Was ist Liebe? Sie ist auch ein selbstbezogenes Bedürfnis
Aus einer anderen Perspektive gesehen, sind Liebe und Zugehörigkeit unsere größten Bedürfnisse im Leben. Wir wollen Erfüllung in der Liebe finden.
Damit könnte Liebe sogar besitzergreifend werden. Aber dann ist es keine wirkliche Liebe mehr, weil kein selbstloses Gefühl mit ihr verbunden ist. Stattdessen ist es dann nur eine Hoffnung, etwas vom anderen zu bekommen, was wir nicht in uns und für uns selbst empfinden können.
Nähe und Geborgenheit erhalten
In einer Liebesbeziehung möchten wir dem anderen nah sein und uns aufgehoben fühlen. Die Liebe zu einem Partner oder einer Partnerin ist also niemals wirklich bedingungslos. Sie weckt in uns nämlich den Wunsch, dass uns dieses schöne Gefühl der Geborgenheit erhalten bleibt. (Insofern stellt Liebe einen Wert dar.)
Sich gemeint fühlen
Wir können auch lieben, ohne Resonanz zu bekommen. Aber der Wunsch nach Gegenliebe ist trotzdem da. Und bleibt bestehen, solange wir lieben: Wir möchten, dass der andere unsere Liebe erwidert.
Und nicht nur das. Wir wollen für den anderen die oder der Eine sein – etwas ganz Besonderes und nicht austauschbar. Wir haben den Wunsch nach Exklusivität. Aus diesem Grund ist Liebe weder ohne Erwartung, noch bedingungslos.
Vertrauen spüren und sich hingeben dürfen
Der Wunsch nach Einzigartigkeit stillt ein weiteres Bedürfnis in uns: das nach Sicherheit. Sicherheit stellt nach den physiologischen Bedürfnissen wie Nahrung, Schlaf, Sexualität und körperlicher Unversehrtheit das wichtigste Grundbedürfnis im Leben eines Menschen dar. So sah es jedenfalls der Psychologe Abraham Maslow in seiner hierarchischen Bedürfnispyramide.
Nun ist uns ja allen klar, dass es diese Sicherheit in zwischenmenschlichen Beziehungen nicht gibt. Warum also ist uns das trotzdem so wichtig? Weil wir uns dem anderen zumuten wollen. In einer Liebesbeziehung bedeutet es uns noch mehr als in anderen Beziehungen, in unserer Andersartigkeit angenommen zu werden: Sein dürfen, wer wir sind. Und das soll bleiben – ein komfortables Empfinden.
Mein Beziehungstipp
Stell Dir die Frage: Was ist Liebe für mich? Was verbindet mich mit meinem Partner/ meiner Partnerin?
[fuss]
Meine Literaturempfehlung:
Ina Schmidt: Eine Liebeserklärung*
Das kleine Buch im Handtaschenformat mit Verschlussgummi regt zum Nachdenken über die Liebe an – und bietet einige Beziehungstipps in Form von Fragen und Übungen.