Wer denkt nicht an Romantik, wenn wir von Liebe sprechen? Dabei wäre es sehr schade, wenn Liebe einzig und allein das wäre. Gefühle können wir nicht lernen, wie Liebe funktioniert ist allerdings lernbar. Liebe ist sehr viel gesteuerter und machbarer, als wir denken – was nicht heißt, dass es egal ist, wen wir heiraten oder mit wem wir uns verbinden. Liebe ist kein reiner Willensakt, aber Liebe ist auch eine Entscheidung. Und auf unsere Entscheidungen haben wir einen nicht unerheblichen Einfluss.
Liebe ist Dreierlei
Sie ist das,
- was wir als Liebe deuten
- was sie in uns auslöst
- wofür wir uns entscheiden.
Die Entscheidung liegt darin, dass wir der Liebe eine grundsätzliche Bedeutung in unserem Leben beimessen. Liebe wird damit für uns wertvoll, stellt einen Wert dar. Garantiert wird sie uns dadurch nicht, aber wir glauben an die Liebe, wenn wir uns für sie entscheiden.
Liebe zeigt sich in kleinen Gesten, in liebevollen Momenten im Alltag, in Aufmerksamkeit. Mit der Entscheidung für die Liebe geben wir dem Raum. Durch die Entscheidung wird eine Möglichkeit zur Realität.
Warum Liebe nicht nur ein Gefühl ist
Liebe ist eng mit unseren persönlichen Erfahrungen und unserer Wahrnehmung verknüpft. Sie ist zunächst ein Gefühl, das im limbischen System des Gehirns entspringt. Das ist der Teil, der mit dem Lernen und der Verarbeitung von Emotionen befasst ist. Aber: Das Gefühl der Liebe zu einem anderen Menschen lässt sich auch aktiv aufrechterhalten und (weiter-)entwickeln: Lieben heißt tun!
Denn Liebe besteht aus vielen unterschiedlichen Aspekten. Sie lässt sich nicht nur auf die Romantik und das Emotionale reduzieren. Ganz unterschiedliche Zitate geben wieder, was Liebe heißt.
Wir können uns entscheiden, können es wollen und machen: das Besondere und Einzigartige an unserem Partner wahrzunehmen. Und wir können das Vertraute an ihm erleben. Das ist eine Entscheidung: Faszination und Vertrauen zu üben.
Warum es sogar gut ist, dass Liebe viel mehr ist als nur ein Gefühl
Liebe ist kein Gefühl – Liebe ist eine Haltung.
Gerald Hüther
Wäre Liebe nur ein Gefühl, dann wären wir Menschen unseren Emotionen vollkommen ausgesetzt und hätten darauf kaum Einfluss. Wir wären gewissermaßen das “Opfer” unserer Empfindungen, was ein klein wenig in der Phase der Verliebtheit so ist. Doch wir können in unterschiedlichen Beziehungsphasen Erfüllung in der Liebe finden.
Liebe ist eine Entscheidung – das Gute daran ist:
- Wir haben Einfluss auf unsere Beziehungen
- Wir müssen nicht den 100%ig perfekten Partner suchen
- Wir brauchen nicht unseren Partner ändern (… was wir ohnehin nicht unmittelbar können)
Liebe ist eine Entscheidung – was heißt das?
Es sind nicht die äußeren Umstände, die das Leben verändern, sondern die inneren Veränderungen, die sich im Leben äußern.
Wilma Thomalla
Lieben heißt, sich auf den anderen einzulassen
Sich einlassen meint, Kontrolle abzugeben. Liebe ist überhaupt erst möglich, wenn wir uns berühren lassen, d.h. die “Einladung”, die das Wesen eines anderen aussendet, annehmen und uns anziehen lassen. Berührt zu werden ist nicht vorhersehbar und nicht planbar. Darauf folgt die Selbstwirksamkeit: mit dem anderen in Resonanz zu gehen, auf das Berührt-worden-sein antworten zu können. Beides zusammen weckt die Sehnsucht nach Bindung, weil wir Menschen uns danach sehnen, gemeint zu sein: Ich bin es die der andere will. Und wenn es uns gelingt, dabei ergebnisoffen zu bleiben, kann sich eine gelingende Beziehung entwickeln. Eine ergebnisoffene Bindung bedeutet, auf den anderen einzugehen, ohne etwas zu erwarten und gleichzeitig zu versuchen, sich immer wieder vom anderen erreichen und berühren zu lassen.
Lieben erfordert, gezielt zu wollen
Liebe entwickelt sich aus dem flüchtigen Gefühl der Verliebtheit. Sie erwächst daraus, dass wir in einer Beziehung sind und entwickelt sich weiter. Einerseits ist Liebe damit die Startbedingung einer verbindlichen Beziehung (aber nicht die einzige). Genauso sehr ist Liebe aber auch das Ziel einer Partnerschaft.
Um sich für eine dauerhafte Beziehung zu entscheiden, braucht es den Willen dazu. Eine verbindliche Partnerschaft braucht ein Ja, um die Beziehung mit allem, was einem zur Verfügung steht, zu befürworten. Das bedeutet auch, dieses Ziel gegen Widerstände und Ablenkung zu verfolgen. Vor allem aber bedeutet es, zu lieben, obwohl der andere auch Verhaltensweisen zeigt und Eigenschaften hat, die ich nicht mag und nicht schätzen kann. Und dazu brauchen wir dann auch Emotionen: ein Ja zur Beziehung braucht ein starkes positives Gefühl.
Wer sich später eventuell nicht an die gemeinsamen Vereinbarungen für die Partnerschaft hält, dem fehlt es weniger daran, sich an die Abmachungen zu halten als daran, uneingeschränkt Ja gesagt und das Ziel “verbindliche Beziehung” gewollt zu haben. Partnerschaft benötigt einen Sinn, einen Zweck oder einen gemeinsamen Wert, der langfristig stärker ist als andere Verlockungen von außen.
Lieben meint, Verantwortung zu übernehmen
Den Sinn, der hinter der Partnerschaft liegt, weiter zu verfolgen, braucht wiederum ein starkes Bewusstsein für die eigene Kraft: Ich kann es schaffen! Erst daraus entsteht die Absicht für eine glückliche (Langzeit-)Beziehung.
Negative Gedanken und Zweifel sollten daher vor der Entscheidung für die Liebe (des Lebens) angesprochen werden, weil sie Energie ziehen und so häufig Vermeidungs- und Angriffsverhalten nach sich ziehen. Solche Ziel-, Wunsch- und Störungsideen und -vereinbarungen sollten jährlich wiederholt werden: in einer Jahresplanung solltet ihr Ziele setzen als Paar. Gestartet wird mit der Frage: Wo wollen wir gemeinsam hin? Es gilt dabei, auch die Stärken und Ressourcen zu benennen und zu berücksichtigen, die bisher die gemeinsame Lebens- und Beziehungsplanung erfolgreich gemacht haben.
Liebe ist damit auch die Übernahme von Verantwortung für die Beziehung – statt sich (gemeinsam) treiben zu lassen.
Liebe bedeutet Wohlwollen
Unserem Lieblingsmenschen wollen wir Gutes tun, ein guter Partner sein – auch wenn das mit Rücksichtnahme oder sogar mit Verzicht verbunden ist. Das gehört zum Lieben dazu. Wir kochen unserem Partner oder unserer Partnerin etwas, was er oder sie gerne mag, oder helfen dem anderen bei einer seiner Aufgaben – auch wenn wir selbst lieber eine Fertigpizza in den Backofen schieben oder uns ausruhen würden. Ihr oder ihm zuliebe schauen wir uns gemeinsam einen Film an, auch wenn wir selbst lieber eine Dokumentation angesehen hätten. Wir stellen ihm oder ihr zuliebe also manchmal unsere eigenen Wünsche und Bedürfnisse zurück. Auch das ist eine Entscheidung – aus Liebe. Das bedeutet Wohlwollen.
Mit Aufopferung sollte das allerdings nichts zu tun haben. Denn zur Beziehungspflege gehört auch die bewusste Entscheidung zur Selbstliebe – damit die Liebe zum Partner oder zur Partnerin bleibt. George Bernhard Shaw formulierte das so: “Wenn du damit beginnst, dich denen aufzuopfern, die du liebst, wirst du damit enden, die zu hassen, denen du dich aufgeopfert hast“.
Lieben ist eine Fähigkeit, die wir lernen, üben und verbessern können
Liebe ist nicht einfach nur ein Gefühl. Liebe ist das Ergebnis konsequenter Bemühung.
Wilfried Wieck
Wir können das Lieben lernen – und damit ist Liebe eine Entscheidung: dafür, für die Beziehung aktiv zu werden. Genau genommen sind es sogar 4 Fähigkeiten, die wir entwickeln können. Diese Fähigkeiten nennt der 1980 verstorbene Psychoanalytiker und Sozialpsychologe Erich Fromm sogar eine “Kunst”, d.h. man sollte sich sowohl die Theorie als auch die Praxis der Liebe aneignen. Fromm schreibt darüber in seinem Buch Die Kunst des Liebens*. Die einzelnen Fähigkeiten greifen ineinander über, sie sind nicht immer ganz trennscharf:
1. Fürsorge
Fürsorge für das Leben und das Wachstum dessen, was wir lieben
2. Verantwortungsgefühl
Die Bereitschaft, aus eigenem Antrieb für den anderen da zu sein, wenn er uns braucht
3. Achtung vor dem Partner
Den Partner so annehmen und wertschätzen, wie er ist – trotz der Dinge, die wir nicht so sehr mögen – und ihm ermöglichen, um seiner selbst Willen wachsen und sich entwickeln zu dürfen
4. Erkenntnis
Der Versuch, den Partner bis in seine Tiefe zu verstehen und die “Partnerlandkarte” immer wieder neu auszurichten
Wenn wir Liebe als eine erlernbare Fähigkeit ansehen, können wir die Chance nutzen, an unserer Liebesfähigkeit zu arbeiten. Dann müssen wir nicht darauf warten, dass der andere sich ändert oder dass wir irgendwann auf den hundertprozentig passenden Partner stoßen. Wir können das Lieben lernen und üben.
Das bedeutet allerdings nicht, dass wir lernen können, jeden x-beliebigen Menschen zu lieben – auch wenn es arrangierte Ehen gab und gibt, die tatsächlich so stabil sein können, wie eine romantische Liebesbeziehung. Liebe dich selbst und es ist egal, mit wem du eine Partnerschaft eingehst, funktioniert aus meiner Sicht dennoch nicht. Einige Dinge müssen nämlich trotzdem erfüllt sein: Zuneigung, gemeinsame Werte in einer Beziehung, gegenseitiges Vertrauen aufbauen, in die gleiche Richtung schauen, Loyalität, füreinander da sein. Emotionen spielen eben doch auch eine Rolle. Wir können nicht für jeden Menschen gleichermaßen Leidenschaft, Anziehung und Verbundenheit empfinden. Liebe ist kein reiner Willensakt, sondern beschränkt sich auf wenige Menschen.
Liebe braucht Pflege
Liebe ist auf Beziehungspflege angewiesen. Tag für Tag. Dann geht sie nicht einfach verloren. Paare, die sich aus den Augen verloren haben, haben ihre Liebe still und ganz allmählich verkümmern lassen wie eine Pflanze, die nicht regelmäßig gegossen wird.
Eine gelingende Partnerschaft bleibt ein Leben lang eine Aufgabe. Doch wenn wir sie freiwillig und mit Freude tun, ist Liebe keine Arbeit.
Wenn Liebe eine Entscheidung ist – wie gelingt es, sich für sie zu entscheiden?
Auf diese Frage hat Wilhelm Schmid eine Antwort in seinem Buch Liebe. Warum sie so schwierig ist und wie sie dennoch gelingt*, Insel Verlag (20156), S. 20f.): Liebe braucht einen Sinn, den wir in der Beziehung erkennen. Dann sind auch unterschiedliche Vorstellungen, Streit, der Ärger, die Langeweile, der Wunsch des anderen nach Freiraum, wenn ich selbst Nähe will etc., auszuhalten. Weil es etwas gibt, den Sinn nämlich, weswegen ich auch die weniger guten Seiten der Beziehung und des anderen akzeptieren kann. Der Sinn hinter der Liebe kann ganz unterschiedlich sein. Aber er sollte eine Gemeinsamkeit darstellen.
Hier einige Beispiele:
- aneinander wachsen wollen und sich darin gegenseitig bestärken
- jemand Vertrautes an meiner Seite zu haben, dem ich nicht egal bin
- sich gut austauschen können und das als Bereicherung erleben
- körperliche Bedürfnisse befriedigen: Zärtlichkeit und Sex
- ein gutes Team sein/ weil man zu zweit stärker ist als allein
- gemeinsam Kinder großziehen wollen
- Seelenverwandte sein
Habt ihr Zwei euch schon einmal darüber ausgetauscht, was der Sinn eurer Partnerschaft ist? Was für ein Paar wollt ihr sein? Welche Vision gelingender Liebe habt ihr?
Wenn du selbst oder du und dein Partner oder deine Partnerin bei der Sinnfindung Unterstützung brauchen: Ich helfe euch gerne, eure Beziehung zu retten und eine Ehekrise zu verhindern. Paarberatung und Beziehungscoaching biete ich online oder in meiner Praxis in Flensburg an.
Meine Buchtipps zum Thema “Liebe ist eine Entscheidung”
Lars Amend: Where is the Love?: Wie ich mich auf die Suche nach der Liebe machte*
Lars Amend hat ein Buch über seine persönlichen Erfahrungen geschrieben: Er ist Life-Coach und gibt dabei anderen Tipps zu Beziehungen. Er selbst hatte viele kurze Affären, aber über mehrere Jahre keine feste Partnerschaft. Dann lädt ihn eine Frau auf eine Art Experiment ein. Das ist der Beginn einer neuen Haltung zu Partnerschaft für Lars Amend.
Sein Buch enthält auch viele Erfahrungen aus Gesprächen mit Freunden in langjährigen Partnerschaften.
Fazit: Mein Tipp für Leser, die neugierig auf authentische Erfahrungen sind .
Wilhelm Schmid: Liebe. Warum sie so schwierig ist und wie sie dennoch gelingt*
Der philosophische Publizist Wilhelm Schmid schreibt hier in Kurzform über seine wesentlichsten Erkenntnisse zum Thema Liebe und langfristige Partnerschaft.
Seine These: Die Liebe muss atmen können, d.h. sie braucht mehrere Ebenen, auf denen sie gründet, wie Gefühle, Erotik, Gedankenaustausch, Selbstvergessenheit, Sinn und einfache Zufriedenheit im Alltag. Er stellt fest: “Schwierigkeiten auf einer Ebene können dann durch den Wechsel auf eine andere aufgefangen werden.” (S.22)
Fazit: Mein Tipp für Wenigleser.
[fuss]