Äußere Krisen wie die Pandemie können die Partnerschaft belasten. Das stelle ich angesichts von Corona auch in meiner Praxis fest. Daher ist es aktuell mehr denn je wichtig, Stress zu bewältigen und sich in der Beziehung mit gegenseitigem Verständnis, Gelassenheit und Humor zu begegnen.
Hier meine Tipps, wie deine Beziehung die Krise übersteht.
Stress bewältigen, damit die Partnerschaft die Pandemie übersteht
Die Corona-Krise verunsichert die meisten Menschen und führt zu Spannungen. Viele Paare sind durch Homeoffice, erhöhte Arbeitsbelastung der Partner in den systemrelevanten Berufen, existenzielle Ängste, Kinderbetreuung und Sorgen über die Zukunft und die Gesundheit belastet.
Wenn du dich in der Partnerschaft jetzt übermäßig belastet fühlst, kann das auch an deiner ganz persönlichen Stressreaktion liegen. Zunächst geht es daher darum, dass du dich selbst im Blick hast: Wie ist meine Befindlichkeit gerade?
In Krisenzeiten kochen außerdem Konflikte oder Streitigkeiten in Partnerschaften schnell hoch, weil du, dein Partner oder ihr beide belastet sind. Die Nerven liegen teilweise blank.
Niemals ist eines alleine die Ursache für Stress. Ein Faktor beeinflusst den anderen. Ich zeige dir Möglichkeiten, wie du und ihr zu zweit Stressreize, sogenannte Stressoren, bewältigen könnt. Lass uns mal genauer hinsehen:
2 Bewältigungsstrategien bei Stressreizen
Wenn wir Stress bewältigen wollen, haben wir Menschen laut dem Psychologen und Forscher Richard Lazarus zwei Möglichkeiten, auf die wir zugreifen können, um mit der Krisensituation hilfreich umgehen zu können. Meist bedienen wir uns beider.
1.Problemzentrierte Stressbewältigung: Ändert die Stressreize
Alle Dinge, die ihr jetzt (gemeinsam) unternehmt, um eure direkte, persönliche Belastung oder Bedrohung durch die Corona-Pandemie und ihre Folgen zu verringern, wird euch entlasten – euch selbst, aber auch eure Beziehung.
Ihr könnt
- Belastungen und Bedrohungen verringern durch direktes Handeln
Die Last lässt sich verringern, indem ihr dafür sorgt, dass eine beginnende Auseinandersetzung nicht eskaliert. Insbesondere Konflikte, die schon lange in eurer Beziehung schwelen, solltet ihr nicht gerade jetzt auf den Tisch des Hauses legen. - euch von der Bedrohung distanzieren
Hier geht es darum zu unterscheiden, was euch betrifft und was nicht: es hilft zu erkennen, welche Dinge ihr ändern könnt und welche nicht. Worauf habt ihr unmittelbar Einfluss? Lasst euch beispielsweise nicht von den allgegenwärtigen Meldungen zur Corona-Krise aus den Medien gefangen nehmen. Es ist meist besser, sich zweimal täglich über den aktuellen Stand der Dinge zu informieren, als auf jede Push-Nachricht einzugehen. - nach Alternativen zu direktem Handeln und Distanz suchen
Wo könnt ihr Kompromisse schließen? Das kann jetzt eine gute Lösung für Partnerschaftskonflikte sein: Nicht mit dem Partner in Konfrontation gehen, aber auch nicht die Augen vor Dingen verschließen, die jetzt wichtig sind.
Eine Alternative ist beispielsweise das “Umfreuen”: enttäuscht sein, aber es nicht bleiben. - weiterem Stress durch Psychohygiene vorbeugen
Die Frage ist: Was stärkt euch beide jetzt? Diesem Aspekt habe ich weiter unten einen eigenen Abschnitt gewidmet.
2. Emotionszentrierte Stressbewältigung: Kümmert euch um euer Befinden
Ohne direkt auf den Stressreiz einzugehen, können wir gut für unser Empfinden, für unsere Gefühlslage sorgen. Hier geht es darum, aktiv zu werden, indem wir an uns selbst und unserem Miteinander arbeiten.
Wir haben die Möglichkeit zu:
- Selbstfürsorge
Wenn du dich nicht um dich selbst kümmerst, könnte irgendwann deine Beziehung genau daran zerbrechen – auch und besonders in Krisenzeiten.
Es gibt 7 Lebensbereiche der Selbstfürsorge:
- Ernährung (auch: gemeinsame Mahlzeiten)
- Spiritualität (Glaube, Visionen für die Zukunft)
- Soziale Kontakte (auch auf digitalem Weg)
- Bewegung (z.B. Gymnastik in der eigenen Wohnung)
- Beratung und Therapie
- Kreativität (z.B. Hobbys, Basteln, Schreiben, Spielen, …)
- Entspannung (dazu gehört auch ausreichend Schlaf)
Welche der obigen Lebensbereiche berücksichtigt ihr jetzt, im Alltag der Pandemie?
Und welche Dinge täten euch noch gut, damit eure Beziehung die Krise gut übersteht?
- Geplante Ablenkung
Hierzu gehört, sich bewusst auch anderen Dingen zuzuwenden als dem Thema Corona. Lenkt also eure Gesprächsthemen auf andere Dinge als auf das Thema Pandemie und eure damit verbundenen Sorgen – am besten schon bevor es euch zu viel wird.Auch die gezielte Beschäftigung mit dem Partner kann der Stressbewältigung im Alltag der Pandemie dienen. Vielleicht habt ihr jetzt Zeit für gemeinsame Hobbies und Interessen, die sonst im Paaralltag häufig zu kurz kommen. - Klare Regeln
Wenn ihr sonst eher spontan seid, flexibel reagiert und improvisiert, könnte euch das jetzt überfordern. Insbesondere, wenn einer von euch oder beide im Homeoffice sind, dann braucht ihr jetzt mehr Absprachen über Ordnung und Struktur: Wer hat wo welchen Raum für Arbeit- und Freizeit? Welche Dinge, welches Arbeitsmaterial hat welchen Platz, damit ihr euch beide zu Hause wohlfühlt. - Toleranz
Homeoffice, Quarantäne und Kontakteinschränkungen führen dazu, dass ihr euch weniger aus dem Weg gehen könnt als das sonst möglich ist. Verbunden ist das mit einer anderen Ordnung. Dinge aus anderen Lebensbereichen, wie Arbeitsmaterial oder kleine Sportgeräte, die sonst nicht in eurem Wohnbereich waren, nehmen jetzt einen Platz in der Wohnung ein. Das kann als Überfrachtung, Unordnung oder Chaos empfunden werden. Wenn einer von euch beiden, der sonst im Büro war, jetzt von zu Hause arbeitet und tagsüber fast immer zu Hause ist, wird die Wohnung zu seinem oder ihrem „Revier“. Probleme machen hier unterschiedliche Vorstellungen von Ordnung oder Tagesabläufen. Die Bedürfnislage beider Partner kann nahezu konträr sein, wenn einer von beiden viel zu Hause ist und der andere seinen Arbeitstag außer Haus verbringt. Wer aus dem Job zurück ins gemeinsame Heim kommt, wünscht sich eher Ruhe und Ordnung, derjenige, der im Homeoffice ist, erwartet jetzt eher Unterstützung und Anregung durch den Partner oder die Partnerin. Das gilt besonders, wenn Kinder zu Hause betreut werden. Dieses unterschiedliche Erleben erfordert Verständnis und Toleranz.
Fragt euch:
- Was ist gerade – trotz all der Belastungen – auch gut für uns beide?
- Wofür können wir unsere aktuelle Situation auch nutzen?
Vermutlich wird euch eine Mischung verschiedener Strategien helfen damit eure Partnerschaft der Corona-Krise standhält.
Weitere Tipps gegen Lagerkoller und für psychische Stabilität findest du bei SinndesLebens24, dem Online-Magazin für den Sinn des Lebens, Philosophie, Glück und Motivation.
Beziehungsstress vermeiden – Partnerschaft und Pandemie als riskanter Cocktail
Wenn ihr euch gegenseitig auf den Geist geht: Macht euch zunächst klar, dass ihr euch im Alltag der Pandemie in einem anderen Alltag befindet: in einer Ausnahmesituation. Je besser jeder Partner für sich sorgt, desto mehr Stärke besitzt er, um der Krise in der Partnerschaft zu begegnen.
Und etwas Grundsätzliches ist auch jetzt wichtig zu wissen: Streitigkeiten basieren meist auf Missverständnissen, nicht auf der Boshaftigkeit des anderen. Eine Beziehung braucht also in Krisenzeiten Nachsicht mit den Stressreaktionen des Partners. Fehlende Wertschätzung in der Partnerschaft macht alles nur schlimmer.
Folgende Strategien sind nützlich, damit im Alltag der Pandemie die Beziehung die Krise übersteht (selbstverständlich nicht nur in Zeiten von Corona):
Keine Konfliktthemen ansprechen, wenn die Situation belastend ist
Wichtig ist es, Partnerschaftskonflikte zu entschärfen: nicht insistieren oder beharren, sondern dem Thema Raum geben, wenn ihr beide Ruhe habt und nicht aus der akuten Betroffenheit heraus reagiert.
Stopp-Signale vereinbaren
Ich empfehle, ein Codewort zu vereinbaren, das ihr dann verwendet, wenn eine Meinungsverschiedenheit oder ein Stressreiz aus dem Ruder zu geraten droht. Das könnte so etwas sein wie “Simsalabim” oder “Hollywoodschaukel” oder “Gurkensalat”. Es sollte ein Wort sein, das ihr nicht regelmäßig verwendet und das euch ganz deutlich macht: jetzt sollten wir aufhören!
Räumlicher Abstand
Ein zeitlich befristeter räumlicher Abstand voneinander kann verhindern, dass Streit eskaliert. Auch in der Wohnung ist das möglich. Und sogar in den allerkleinsten Wohnungen kann man sich noch umdrehen: sich so setzen, dass man sich den Rücken zuwendet, um sich nicht zu sehen. Hört sich vielleicht komisch an, hilft aber, wieder zu sich zu kommen.
Einander richtig zuhören
Dem anderen seine Meinung zu lassen, verhindert den Kampf um Recht: Rechtfertigungen und Rechthaberei. Führt gerade jetzt Zwiegespräche: sich offenbaren und zuhören, ohne zu bewerten und zu diskutieren. Es reichen zwei Fragen, damit du deiner Partnerin besser zuhören kannst.
Über dieses Thema lohnt es sich zu reden: In welchen Bereichen fühlt ihr euch jetzt (trotz allem) verbunden?
Keine wichtigen Entscheidungen für die Partnerschaft treffen
Stellst du dir die Frage: Soll ich in der Beziehung bleiben oder gehen? Eine Trennung, den Verkauf eures Hauses oder andere wichtige Dinge, die euer Zusammenleben betreffen, sollte ihr nicht jetzt in der Krisensituation entscheiden. Angst und Sorge sind für diese Dinge keine guten Ratgeber. Vertagt die Themen.
Sich Hilfe holen
Eine Krise und die damit verbundenen Belastungen sind nicht immer ganz einfach zu bewältigen. Eine Beratung oder ein Coaching kann da entlasten – und zwar auch schon in der Corona-Krise selbst. Ein Blick von außen und Expertentipps wirken!
Ich unterstütze selbstverständlich auch in Zeiten von Corona. Eine Paarberatung oder ein Beziehungscoaching ist bei mir online per Video oder Telefon oder in meiner Praxis in Flensburg möglich.
Kontaktstellen, an die du dich wenden kannst, solltest du oder andere in Not sein:
2 Fragen können euch grundsätzlich in der Partnerschaft im Alltag der Pandemie beim Sortieren helfen:
- Ist mein Befinden/ unser Streit eine aktuelle Stressreaktion?
- Oder ist es ein Thema, das wir als Paar in Ruhe klären sollten?
Weitere Tipps bei Streit und Beziehungsstress wegen Corona gibt der Kollege Eric Hegmann, Paarberater und Single-Coach, auf seinem Blog. Er stellt u.a. die Bedeutung der Bindung für das Thema dar.
Angst und Ohnmacht überwinden, die die Partnerschaft in der Pandemie beeinträchtigen
Akzeptiere, was du nicht ändern kannst
Dinge passieren, die du nicht kontrollieren kannst. Das ist etwas, was wir Menschen an verschiedenen Stellen akzeptieren müssen. Und etwas loszulassen und Kontrolle abzugeben ist sehr schwer. Doch es verhindert, dass du gegen Windmühlen kämpfst. Akzeptanz meint, eure Möglichkeiten anzunehmen: Was können wir kontrollieren und was nicht? Das gilt übrigens auch für den Menschen an deiner Seite und seine Eigenarten: aus der Ohnmacht kommst du heraus, wenn es dir gelingt, den Partner zu akzeptieren wie er ist.
Achtet auf die Möglichkeiten: der Angst etwas entgegensetzen
Das Wenige, das du tun kannst, ist viel.
Albert Schweitzer
Es ist wichtig, sich in einer Krisensituation weiterhin als handelnde Person zu erleben und nicht als Opfer von Umständen. Und zwar egal, wie belastend oder unverständlich deine Lage auch sein mag – es gibt immer mehr als nur zwei Optionen. Wie jede Münze auch (mindestens) drei Seiten hat. Den Rand vergessen wir nur manchmal … Die Frage ist daher: Welche Option ist für dich und euch die passende? Was macht euch gerade Mut und lässt euch gemeinsam zuversichtlich sein?
Aktuell kannst du dir die Hände waschen und zu Hause bleiben.
Und ihr könnt gemeinsam eine neue Tagesstruktur schaffen und Rituale erhalten. Ein fester Tagesablauf gibt Struktur und Beständigkeit und setzt Unsicherheit und Angst etwas entgegen.
Überhaupt verhilft äußere Ordnung zu inner Klarheit: aufräumen, putzen, entrümpeln, … lenkt ab. So kommt ihr gemeinsam aus dem Gefühl von Ohnmacht heraus. Übernimm Verantwortung für dich und deine Partnerschaft. Steck den Kopf nicht in den Sand. Frage dich, womit du dich befassen möchtest und wie gut dir das tut (oder eben nicht). Jetzt gerade tun nicht alle Nachrichten gut (zumindest nicht pausenlos).
Übrigens: Was könnte dir schlimmstenfalls passieren? Im schlimmsten aller Fälle? Wenn es für dich persönlich ganz, ganz katastrophal wird? Wenn du diese Frage konsequent zu Ende denkst, dann kannst du für die Antwort eine Lösung finden. Angst, Sorge und Belastungen kannst du immer dann bewältigen, wenn du eine Idee dazu hast, was du tun kannst.
Wenn du schon häufiger etwas von mir gelesen hast oder meinen Newsletter abonniert hast, kennst du meinen guten Wunsch für dich und deinen Partner – der gilt im Alltag der Pandemie ganz besonders: Seid gut zu euch!
Also: Wie könnt ihr euch als Partner in euren Sorgen und Ängsten mit Verständnis begegnen?
Gelassen bleiben
Glücklich sein heißt nicht, das Beste von allem zu haben, sondern das Beste daraus zu machen.
Unbekannt
Entspannt, zuversichtlich und ausgeglichen zu bleiben meint nicht, dass ihr die Krise ignoriert. Nein, sie ist euch sicher nicht wurscht. Und deshalb könnt ihr aktiv und produktiv mit eurer Partnerschaft im Alltag der Pandemie umgehen.
Denn es gibt auch die andere Seite: In einer Online-Umfrage gaben über die Hälfte der Befragten an, dass die Zeit der Ausgangsbeschränkungen ihrer Beziehung gutgetan hat und den Zusammenhalt sogar deutlich gestärkt habe.
Aus meiner Erfahrung in der Paarberatung sind die folgenden beiden Aspekte für einen gelassenen Umgang miteinander (nicht nur in Krisensituationen) besonders wichtig:
Keine zu hohen Erwartungen an uns selbst und an den Partner haben
Du musst jetzt gar nichts. Auch dein Partner nicht. Ihr beide gemeinsam schon gar nicht. Das “Musturbatieren” könnt ihr jetzt noch viel mehr vergessen als sonst. Lasst es euch gut gehen und verzichtet auf Perfektion. Es könnte der Beginn einer lebenslangen Freundschaft werden … Wenn du jetzt im Homeoffice Schlafanzug trägst – was soll’s? Und wenn dein Partner sich nun freut, dass er nicht ins Fitnessstudio “muss” – freu dich mit ihm. Der Bauch kann bis nach Ostern warten.
Der Gedanke: Nichts ist für immer
Kennst du den “Schmunzelpunkt”? Nein, nicht den Schmunzelhasen, der ist ja lila …;-) Der Schmunzelpunkt für die Corona-Krise könnte Weihnachten sein, oder ein Sommertag bei einem Glas Wein. Es ist der Moment, an dem du gemeinsam mit deinem Partner auf die Zeit der Pandemie zurückschaust und von dem aus ihr mit einem leichten Lächeln und mit Zufriedenheit zurück schaut auf die Krise: “Weißt du noch, … als damals das alte Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiel vom Dachboden geholt haben …?” oder “… damals haben wir auch das Brotbacken für uns entdeckt … bis es am Ende keine Hefe mehr zu kaufen gab ….”
Ach, du hättest gedacht, ich schreibe hier von Toilettenpapier? So kann man sich irren … 😉
Als Paar der Langeweile der Quarantäne entkommen
Man kann dem Menschen alles nehmen, nur nicht: Die letzte menschliche Freiheit, sich zu den gegebenen Verhältnissen so oder so einzustellen.
Viktor Frankl
Macht einmal etwas ganz anderes als sonst. Die Pandemie braucht kreative Ideen für die Partnerschaft. Und nein, das ist kein Widerspruch zu dem, was ich über Struktur und Routinen geschrieben habe.
Habt ihr schon mal eine Videokonferenz dafür genutzt, mit Freunden virtuell ein Glas Wein zu trinken? Und dabei zu viert Stadt-Land-Fluss gespielt?
In der aktuellen Zeit gibt es im Internet und in öffentlichen oder privaten Chaträumen viele Einladungen zu Challenges. Nehmt daran teil. Oder seht euch Kulturveranstaltungen online an. Viele Anbieter streamen ihre Aufführungen. Und Sportstudios veranstalten Live-Kurse für eure Fitness. Kürzlich lief ein Mann einen Marathon in seinem Garten. Und ich las, dass viele Menschen jetzt (wieder) gerne puzzeln. Was fällt euch ein?
Die Zeit wird kommen, in der ihr wieder all euren Lieblingsbeschäftigungen nachgehen könnt. Und vielleicht habt ihr bis dahin ja neue entdeckt oder wiedergefunden.
Wenn ihr euch beide langweilt, werdet ihr auch einander schnell überdrüssig. Konzentriert euch jeden Tag auf das, was euch guttut und was ihr an einander liebt und schätzt.
Tägliche Fragen könnten lauten:
- Wofür sind wir heute dankbar?
- Mit wem werden wir heute in Kontakt treten? Auf welche Weise?
- Wie können wir uns heute Bewegung verschaffen?
- Was können wir heute (wieder) neu entdecken?
- Welche Erwartung an einen “normalen” Alltag können wir heute loslassen?
Mehr hilfreiche Maßnahmen, wie du die häusliche Isolation und Quarantäne gut überstehst, hat Prof. Dr. Frank Jacobi von der Psychologischen Hochschule Berlin zusammengestellt. Sein Artikel geht auch auf die Situation von Kindern und Jugendlichen ein. Der Beitrag ist deshalb besonders interessant für dich, wenn du Elternteil in einer Familie bist. Ein weiterer Beitrag für Paare und Familien findet sich hier: Hanning & Chmielewski: Crazy Corona – Psychisch gesund durch die Quarantänezeit.
Psychohygiene für die Partnerschaft in der Pandemie: Möglichkeiten, die Corona-Krise als Paar gut zu überstehen
Der amerikanische Psychologe und Forscher der Positiven Psychologie, Martin Seligman, sieht das Ziel der Bewältigung einer Belastungssituation nicht darin, nicht zu leiden, sondern Wohlbefinden herbeizuführen. “Säulen” oder Aktivitäten, die zu Wohlbefinden führen, stellt er mit dem Akronym “PERMA” dar:
- P wie Positive Gefühle
- E wie Engagement
- R wie Positive Beziehungen (engl.: Relationships)
- M wie Sinn (engl.: Meaning)
- A wie Zielerreichung (engl.: Accomplishment)
Wer mehr über diese fünf Säulen des Wohlbefindens wissen möchte, findet in Seligmans Buch Wie wir aufblühen: Die fünf Säulen des persönlichen Wohlbefindens* interessante Erläuterungen über das, was zu einem glücklichen Leben führt.
Frage dich doch mal: Was würde eure Situation in der Corona-Krise bereichern? Und was hindert euch daran, das zu tun?
Selbstmitgefühl
Wenn euer Alltag und damit auch eure Partnerschaft durch die Pandemie gerade durcheinander gewirbelt wird, dürft ihr gerne auch Mitgefühl mit euch haben.
Selbstmitgefühl statt Selbstverurteilung (Nicht: „Ich sollte belastbarer sein.“, „Ich bin ein*e schlechte*r Partner*in.“) Aber: Es geht nicht um Selbstmitleid, das fühlt sich nur klein und hilflos an. Selbstmitgefühl dagegen macht deutlich: Es ist gerade nicht leicht.
Und macht es euch bewusst: Nichts ist für immer. Die Krise geht auch wieder vorbei. Und noch? Ihr seid nicht allein von der Corona-Krise betroffen. Es geht vielleicht hundert Millionen Paaren in vielen Ländern der Welt genauso. Mehr zum Thema Selbstmitgefühl gibt es im gleichnamigen Buch von Kristin Neff*.
Dankbar sein
Dankbarkeit bringt euch in einen besseren Zustand. Damit verändert ihr unmittelbar eure Wahrnehmung. Je mehr ihr das übt, desto besser wird es euch gelingen. Dann seid ihr auch für zukünftige Krisensituationen gewappnet.
Macht euch bewusst, was auch oder gerade in der Krisensituation bei euch beiden gut funktioniert. Das ist der Weg zu Dankbarkeit. Und dazu gehören auch die vielen täglichen “Kleinigkeiten”, denn sie sind keinesfalls selbstverständlich.
Macht euch bewusst, wofür ihr eurem Partner dankbar seid – und teilt es ihm mit:
- Was ich an dir liebenswert finde
- Warum es schön ist, mit dir zusammen zu sein
Einander Freiräume schaffen
Zeitlicher Freiraum
Partner müssen nicht alle 24 Stunden des Tages miteinander teilen. Gerade in Krisenzeiten tragen Ich-Zeiten und Alleinsein viel zum Kraftschöpfen bei. Das bedeutet: Freiraum nehmen, geben und vereinbaren – ohne den Partner vor den Kopf zu stoßen.
Räumlicher Freiraum
Nutzt in der Quarantäne alle Räume der Wohnung. Aber auch dann, wenn euer Alltag durch Sorgen und Ängste, viel Arbeit oder durch Homeoffice anders abläuft, wird euch mehr Raum gut tun. So schaffst du dir und deinem Partner Freiräume. Ihr könnt den Abstand zueinander gestalten, das bringt Freiraum für das Eigene.
In einer ganz kleinen Wohnung lässt sich sogar das Bad als Rückzugsraum zum Kraft Tanken in Anspruch nehmen. Wechselt euch mit der Raumnutzung dann ab, so dass jeder mal in den Genuss kommt, sich in den jeweiligen Räumen auszubreiten. Ansonsten kann es hilfreich sein, sich einfach auch nur umzudrehen, um den anderen nicht ständig “im Blick” zu haben – physisch wie geistig.
Geistiger Freiraum
Gerade wenn die Lage angespannt ist, führen unterschiedliche Vorstellungen häufig zu Streitigkeiten. Und die bringen keine Ergebnisse. Auf den Partner einzureden, um ihn schließlich doch von den eigenen Gedanken zu überzeugen, führt zu nichts.
Du kannst unnötige Streitigkeiten vermeiden, wenn du dem anderen seine Sichtweisen (z.B. über die Corona-Krise und seine Folgen) lässt. Denn du wünschst dir sicher auch von deinem Partner geistigen Freiraum. Hier hilft der Satz “Da sind wir beide anderer Meinung”, um einander mit Wertschätzung zu begegnen, wenn es unterschiedliche Vorstellungen über Pandemie und/ oder Partnerschaft gibt.
Einander nah sein – die Partnerschaft gewinnt Zeit für Nähe in der Pandemie
Gerade in einer Corona-Krise brauchen wir Nähe und Halt. Und zwar auch, wenn wir rund um die Uhr beisammen sind. Einandern nah zu sein, zeigt sich auf körperlicher Ebene ganz besonders. Und noch mehr, wenn ihr Zärtlichkeiten ohne das Gefühl von Verpflichtung ausübt. Es muss klar sein, dass eine Umarmung nicht gleich beim Sex endet. Das ist in der Partnerschaft grundsätzlich wichtig – im Alltag der Pandemie besonders. Dann könnt ihr euch nämlich entspannt auf einander einlassen. Beim Slow Sex geht es genau um diese intensive Nähe – und zwar ohne Leistungsdruck. Was Slow Sex ist, liest du in meinem Interview mit Yella Cremer und Samuel.
Bei körperlicher Nähe wird das “Kuschelhormon” Oxytocin ausgeschüttet, das für eine tiefe Verbindung sorgt. Nutzt daher die Zeit und Ruhe, die ihr jetzt habt, für schöne Momente des Beisammenseins, wie beispielsweise
- sich gegenseitig massieren
- gemeinsam in die Badewanne gehen
- euch unter der Dusche gegenseitig einseifen
- auf dem Sofa zu füßeln
Euch wird sicher noch mehr einfallen. Ruhe macht erfinderisch.
Den anderen entlasten
Beantwortet euch bewusst die Fragen:
- Wo kann ich dich im Alltag der Pandemie entlasten?
- Wo kannst du mich entlasten?
- Wie können wir einander jetzt beistehen und unterstützen?
Sich gemeinsam stärken
Die Corona-Krise könnt ihr nutzen, um das zu üben, was Psychologen “Reframing” nennen: die Dinge umdeuten und sie neu rahmen, um sie anders betrachten zu können. Sagt euch jetzt nicht: “Mist, nun müssen wir ständig in der Wohnung hocken”, sondern überlegt zusammen: “Wie können wir die Situation jetzt gemeinsam nutzen? Was können wir aus unserer Lage Gutes machen?”
Und fragt euch doch ganz allgemein auch:
- Was macht uns stark und erhält unsere Beziehung?
Übrigens können auch schöne Worte Stärke geben: 25 Zitate, die dir jetzt Kraft geben.
Die Corona-Krise als Chance für ein neues Bewusstsein in der Partnerschaft
Äußere Krisen bedeuten die große Chance, sich zu besinnen.
Viktor Frankl
Innehalten
In Krisen steckt immer auch eine Gelegenheiten. Sonst wären sie Katastrophen, die ein Desaster hinterlassen. Das chinesische Wort für Krise besteht aus zwei Zeichen: dem für Gefahr oder Risiko und dem für Chance. Der Alltag der Pandemie birgt damit für dich und eure Partnerschaft die Möglichkeit, innezuhalten und zu erkennen, was dir im Leben wirklich wichtig ist. Das heißt auch: Was an deiner Partnerschaft und deinen anderen Beziehungen ist dir eigentlich besonders wichtig? Diese Frage ist eine, mit der du dich sicher ein wenig länger beschäftigen kannst.
Wenn in Krisenzeiten das Alte nicht mehr gilt und wir das Neue noch nicht kennen, richten wir unseren Fokus (aus Mangel an Alternativen) auf die Möglichkeiten, die im aktuellen Augenblick liegen und nähern uns damit kindlichem Erleben: in der Gegenwart sein, Bedeutung spüren.
Mich inspiriert zum Thema gerade ein Buch – vielleicht ist es auch etwas für dich oder sogar für euch gemeinsam: Natalie Knapp, Der unendliche Augenblick*. Es geht darum, was Zeiten des Übergangs so wichtig macht. Die Autorin plädiert in ihrem Buch dafür, in Krisensituationen, bei Schicksalsschlägen und in Zeiten des Übergangs hin zu etwas Neuem diese Phase nicht möglichst schnell hinter sich bringen zu wollen. Natalie Knapp verwendet hier das Bild der Jahreszeiten: im Winter erneuert sich das Leben. Wir brauchen den Winter um uns auf das Frühjahr zu freuen.
An Krisen können wir wachsen, wenn wir sie bewusst durchleben und auch wertschätzen. Puuuuh … Harter Tobak, mit dem Wertschätzen? Hier geht es um die Wichtigkeit, den Sinn und die Chancen für die Partnerschaft im Alltag der Pandemie. Und weiter: Man sagt ja auch, dass Probleme die Lösungen für etwas anderes sind. Wenn Oma gerade im Krankenhaus ist, guckt man weniger auf die Differenzen in der Partnerschaft, weil jetzt Lösungen hermüssen.
Sicherlich fühlt sich der letzte Punkt (und das Bild der Jahreszeiten) nicht so richtig gut an, wenn man gerade mitten in einer Krise steckt. Aber: Bitte schüttele nicht gleich verärgert den Kopf. Ja, auch so können wir auf die Pandemie schauen.
Für eine gute Weiterentwicklung der Partnerschaft sorgen – gerade in Zeiten der Pandemie
Befindest du dich manchmal im Optimierungswahn? Oder lässt du dich davon anstecken? Entwicklung ist viel mehr als nur “Höher, schneller, weiter”. Das gilt es gerade jetzt in der Corona-Krise zu überdenken.
Was könnte aus der jetzigen Krise erwachen? Wofür kannst du und könnt ihr die momentane Lage auch wertschätzen? Mögliche Aspekte sind:
- Dankbarkeit empfinden für all das Schöne, was es auch gibt
- Das Leben wird intensiver spürbar
- Gestaltungskraft und Bewältigungskompetenzen werden aktiviert
- Erfahrungen und Entdeckungen werden möglich, die uns in ruhigen Jahren Halt und Richtung geben
- Hoffnung lässt uns Gemeinschaft mit anderen Menschen spüren
Mach dir bewusst, was dir wirklich wichtig ist. Das ist euch ein gutes Gesprächsthema für euch als Paar. Welche Werte habt ihr gemeinsam? Was verbindet euch als Paar? Wer seine Werte kennt, hat Visionen und Ideen für die Zukunft und kann sich neue Ziele setzen:
- Welchen Sinn kann diese Krise für dich und mich haben? Was könnte daraus erwachsen?
- Was will ich aus der Zeit der Pandemie für mich mitnehmen? Und was nimmst du mit?
- Und auch hier wieder die Frage: Was hindert euch daran?
- Welche gemeinsamen Visionen und Ziele ergeben sich daraus für uns beide?
Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihm nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.
Max Frisch
In diesem Sinne: Bleibt gesund und zuversichtlich!
Mehr Tipps von mir gibt es hier im Video:
Die Designerin Susanne Speer hat mich zum Thema Partnerschaft im Alltag der Pandemie interviewt. Sie nimmt aktuell in der Corona-Krise „Mutmachinterviews“ mit vielen unterschiedlichen Gesprächspartner*innen auf. Schau mal rein:
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Meine Buchempfehlung zum Thema Corona-Krise
Die im Text genannte Literatur zu unterschiedlichen Aspekten des Themas hier noch einmal in der Übersicht
Martin Seligman: Wie wir aufblühen. Die fünf Säulen des persönlichen Wohlbefindens*
Natalie Knapp: Der unendliche Augenblick: Warum Zeiten der Unsicherheit so wertvoll sind*
Eine Anmerkung:
Hier in meinem Artikel ist von “Partner” die Rede – du kannst dafür ebenso das Wort “Partnerin” setzen. Ich habe lediglich ein Geschlecht bzw. eine Perspektive gewählt, damit dieser Beitrag leichter lesbar ist. Alle Inhalte gelten aber für alle Geschlechter.